Händewaschen!

HändewaschenBenennen Sie Ihren Wunsch, ohne das Kind zu demütigen.

Die 8-jährige Livia hat mit ihrem neuen, neonfarbigen Glibber-Schleim gespielt. Nun gehts jedoch zu Tisch. Das Essen ruft. Papa schickt Livia ins Badezimmer zum Hände waschen. Livia kehrt alsbald zum Küchentisch zurück. Sie ist hungrig, nach so einem langen Glibber-Schleim-Experimentier-Tag 🙂

Oh, oh!

Doch was muss Papa da sehen: Es tropft. Livias Hände sind noch ganz nass. Außerdem sieht er immer noch neonfarbige Schleim-Spuren an Livias Fingern.

Da steigt Wut in Papa auf, dessen Magen noch dazu schon ziemlich knurrt. Vorwurfsvoll grollt er: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du dir die Hände waschen sollst?!“ Livia schaut erschrocken auf und presst gleichzeitig ihre Lippen aufeinander. Papa fügt gleich noch mit zorniger Stimme hinzu: „Die sind ja noch ganz nass! Musst du immer so schlampig sein?! Geh jetzt sofort nochmal rüber ins Bad und wasch sie dir ab! Aber ordentlich!“

In Papas Kopf sind Fantasie-Bilder aufgestiegen. Er stellt sich vor, dass dieser Glibber-Schleim an Türen, Tisch und Besteck klebt. Dass Livia den künstlichen Spiel-Schleim sogar schluckt, wenn sie mit ihren Fingern etwas in den Mund nimmt.

Verstanden?!

Papa hakt zur Sicherheit noch einmal aufgebracht nach: „Hast du mich verstanden?! Schau mich an und merk dir das!“ Livia schaut ganz betroffen drein. Sichtlich geknickt – nicht nur in ihrer fröhlichen Stimmung, sondern auch in ihrer Würde – geht sie schleichenden Schrittes nochmal ins Bad und macht alles genau so, wie Papa es will. Sie bemüht sich zumindest, alles genau so zu machen wie Papa es gesagt hat. Ganz verunsichert ist sie.

Als sie zurückkommt, hat sie keinen so richtigen Hunger mehr. Sie schaut mit gesenktem Kopf von unten herauf zu Papa. Die Freude auf das Essen ist verflogen. Auch die friedlich-fröhliche Abendess-Stimmung von vorhin ist dahin.

Nun. Das wollte Papa auch wieder nicht. Dabei hat er sich so bemüht, diesmal nicht zu schreien. Er sieht das verletzte Kind und fühlt sich selber schlecht dabei.

Was ist passiert?
Wie anders handeln?

Was wäre, wenn …

Was wäre, wenn Papa das nächste mal zu Livia in ruhigem und respektvollem Ton sagen würde: „Ich sehe, du hast dir die Hände gewaschen. Jetzt sind sie noch ganz nass.“ und ihr dabei ein Lächeln schenkt?

Papa könnte weiters sagen: „Außerdem klebt da noch Glibber-Schleim an deinen Fingern. Es ekelt mich, wenn ich mir vorstelle, dass du mit den schleimigen Fingern Sachen angreifst und der Schleim dann überall in der Wohnung klebt und herum geschmiert wird. Zudem mache ich mir Sorgen, dass du den künstlichen Spiel-Schleim schlucken könntest, wenn du mit deinen Fingern etwas in den Mund nimmst.“

Manch ein Kind wird an dieser Stelle vielleicht schon aufspringen und loslaufen, um seine Hände im Badezimmer nochmal gründlich zu waschen und sorgfältig abzutrocknen. Es weiß jetzt, wie Papa zumute ist und will sich der Sache annehmen. Ein anderes Kind bleibt vielleicht sitzen und hört aufmerksam zu. Dann könnte Papa hinzufügen:

„Könntest du nochmal rüber ins Bad gehen und dir die Hände gründlich waschen? Achte dabei bitte darauf, dass die Hände auch wirklich sauber sind, der Glibber-Schleim überall weg ist und du die Hände gut abtrocknest. Ja?“

Was ist da jetzt anders?

Anerkennung geben

„Ich sehe, du hast dir die Hände gewaschen.“

Da steckt Anerkennung drinnen.

Beobachtung beschreiben

„Jetzt sind sie noch ganz nass. Außerdem klebt da noch Glibber-Schleim an deinen Fingern.“

Papa sagt, was er sieht. Er beschreibt die Situation, ganz ohne Livia einen Vorwurf zu machen.

Ich-Botschaft senden

„Ich finde es eklig, wenn ich mir vorstelle, dass der Glibber-Schleim überall in der Wohnung klebt und herum geschmiert wird. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass du den künstlichen Spiel-Schleim schlucken könntest, wenn du mit deinen Fingern etwas in den Mund nimmst.“

Papa sagt Livia wie es ihm geht, ohne sie anzugreifen. Er schickt eine Ich-Botschaft und weckt damit Livias Empathie und Verständnis.

Wunsch formulieren

„Könntest du nochmal rüber ins Bad gehen und dir die Hände gründlich waschen? Achte dabei bitte darauf, dass deine Hände auch wirklich sauber sind, dass der Glibber-Schleim überall weg ist und du dir die Hände gut abtrocknest.“

Papa drückt seinen Wunsch aus, statt zu befehlen. Er sagt Livia klar was er will, ohne ihr mit einer barschen Stimme Angst zu machen und ihr das Gefühl zu geben, sie sei dumm und schlecht.

Ich mag aber nicht

Vielleicht hat Livia trotzdem gerade keine Lust, nochmal ins Bad zu gehen und fängt an zu jammern. Statt JETZT energisch und böse zu sagen: „Geh jetzt, aber dalli!!“, kann Papa nochmal einen freundlichen und bestimmten Blickkontakt mit Livia aufnehmen und zu ihr sagen: „Ich verstehe, dass dir das jetzt lästig ist und du keine Lust hast. Wir warten hier mit dem Essen auf dich.“

Als Livia zurückkommt, sind ihre Hände sauber und trocken. Ihr Gesicht strahlt. Papa strahlt. Alle freuen sich auf das gemeinsame Abendessen mit sauberen Händen und heil gebliebenen Herzen.

Ein Tipp

Möglicherweise fällt es Ihnen nicht so leicht, in der nächsten aufgeregten Situation an all das zu denken. Obwohl Sie es sich ganz fest vorgenommen haben. Deshalb hier eine Anregung: Stellen Sie sich mehrmals am Tag vor, wie Sie beim nächsten Anlass anders handeln. Das hilft Ihnen, achtsam zu bleiben.

Herzlich
Ihre
Simone Fröch

P.S. Ich freue mich über Ihre Kommentare und über jede Rückmeldung, Frage und Anregung per E-Mail an: kontakt@starke-kinder.at

Außerdem arbeite ich an einer Checkliste, die Sie sich als Erinnerungs-Hilfe auf den Kühlschrank kleben können. Deshalb lade ich Sie ein, mir als Denkanstoß das eine oder andere Alltagsbeispiel zu schildern. Schicken Sie mir auch hierfür einfach eine E-Mail an kontakt@starke-kinder.at

Wie gehen Wege zwischen Schreien und Schweigen? Erwachsene unterstütze ich mit meinen Coachings für mehr Selbstsicherheit : selbstbewusst-sensibel.at


Bild © Sviatlana / Photocase

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