Eine Beispielgeschichte
Thomas (7) schießt in meiner Praxis einen Ball durch die Luft – und in den Blumentrog. Drei Blattstängel knicken um. Thomas wendet verlegen seinen Blick ab. Ist er selber erschrocken? Hat er vielleicht Angst, was jetzt passieren wird?
Wenn ich jetzt ungebremst drauf los brüllen würde: „Kannst du nicht aufpassen?!“, würde ich die Würde des Kindes verletzen. Auch die Achtung vor meiner eigenen Würde würde ich in so einem Moment verlieren.
Die grünen Blattstängel sind schon geknickt. Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Egal was ich tue. Schreien macht es nicht ungeschehen. Richtet die Blattstiele nicht wieder auf. Jedoch besteht die Gefahr, dass sich das Kind verletzt und gedemütigt fühlt. Vielleicht kriegt es Angst. Lernt womöglich, in solchen oder ähnlichen Situationen Angst vor mir und meinen Reaktionen zu haben. Überhaupt Angst vor Reaktionen, die in so einem aufbrausenden Tonfall passieren.
Feinfühlig* mit einem anderen Menschen zu sein, heißt gleichzeitig auch feinfühlig mit sich selbst zu sein.
Thomas schießt also den Ball durch die Luft und er fliegt in den Blumentrog. Feinfühlig reagieren würde zum Beispiel bedeuten: Ich atme tief durch, schaue in mich selbst hinein und sage zu Thomas: „Ups, jetzt bin ich aber erschrocken. […] Ich frage mich gerade, wie meine Kolleginnen reagieren werden, wenn sie die abgebrochenen Blattstängel sehen. […] Ich werde ihnen dann später sagen, dass mir das leidtut.“ Ich sende also eine Ich-Botschaft statt einer Du-Botschaft.
Dann frage ich das Kind mit freundlichem Ton und ebensolchem Gesichtsausdruck: „Bist du auch erschrocken? […] Wie können wir denn jetzt tun, damit das nicht wieder passiert?“
Das Kind zeigt sich daraufhin engagiert und einsatzbereit. Gemeinsam schieben wir die Blumentröge auf ihren Rollen zur Seite. Wir vereinbaren, dass wir uns auf den Boden setzen, den Ball nur mit den Händen durch den Raum rollen und probieren es gleich aus.
Herzlich
Ihre
Simone Fröch
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*Der Begriff der Feinfühligkeit wurde durch Mary Ainsworth geprägt und sagt etwas darüber aus, wie eine erwachsene Bezugsperson mit einem Kleinkind umgeht. Feinfühligkeit macht sich jedoch nicht nur im Umgang mit Kleinkindern bemerkbar.
Bild © jbkfotos/Photocase
Liebe Simone!
Man müsste wissen was vor der Situation passiert ist. Ob man das Kind aufmerksam gemacht hat, dass etwas passieren könnte und das Kind trotzdem in der gleichen Art weitergemacht hat. Wenn ja, finde ich ein ups als Reaktion nicht ausreichend. Man muss natürlich nicht laut und vorwurfsvoll reagieren, aber nur ein ups finde ich persönlich zu wenig.
Sollte es passiert sein, dass man mit dem Kind gespielt hat bzw es hatte die Erlaubnis so zu spielen passt die Reaktion.
Lg Melanie
Liebe Simone!
Bei deinem Beispiel müsste man wissen was davor passiert ist. Hat das Kind den Ball schon mehrmals beworfen und man hat ihn aufmerksam gemacht, dass etwas passieren kann? Wenn ja, kann ich nicht nur mit ups jetzt bin ich erschrocken reagieren. Man muss natürlich nicht laut und vorwurfsvoll reagieren, aber nur mit einem ups finde ich persönlich nicht ausreichend.
Deine Sicht der Reaktion finde ich passend, wenn das Kind die Erlaubnis hätte bzw wenn man mit dem Kind Ball gespielt hat und es dann passiert.
Lg Melanie